Schacht, Andrea by Schacht Andrea

Schacht, Andrea by Schacht Andrea

Autor:Schacht Andrea
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi
veröffentlicht: 2012-12-21T23:00:00+00:00


18

Wünsche

14. September 1378

»Die Blätter müssen gefalzt werden, genau hier in der Mitte. Und dann musst du sie mit dem Falzbein glatt streichen, damit der Knick ganz scharf wird.«

Mirte klappte sorgfältig den Bogen auf Eck zusammen und fuhr mit dem geschliffenen Knochen vorsichtig über die Falzstelle.

»Fester, Mirte, fester.«

Sie gab sich Mühe, hatte aber Angst, das Papier zu verletzen. Frau Alena ergriff ihre Hand und führte sie mit dem Falzbein fest und mit gleichmäßigem Druck über das Material.

»Keine Angst, das geht nicht so schnell kaputt. Und es ist ja auch nur ein unbeschriebenes Blatt für ein Registerband.«

»Ja, aber Papier ist doch auch teuer.«

»Schon, aber mit irgendwas musst du ja anfangen zu üben. Beschriftete Pergamente fasst du aber besser noch nicht an.«

Seit einigen Tagen – eigentlich genau seit dem Zeitpunkt, da Frau Alena aus dem Turm zurückgekommen war – hatte sie begonnen, Mirte in ihr Handwerk einzuweisen. Und das war etwas, das Mirte auf das Höchste beglückte.

»Bücher«, hatte Frau Alena gesagt, »sind die Zukunft. Bücher gehören zu den wichtigsten Dingen, die in den nächsten Jahrhunderten eine Rolle spielen werden. In meiner Zeit lernen alle Menschen schon als Kinder lesen und schreiben. Und alles Wissen ist in Büchern aufgeschrieben, die jedem, der sie lesen möchte, zur Verfügung stehen.«

»Alles Wissen, Frau Alena?«

»Alles, was man zu jener Zeit weiß, was der Autor – das ist der Mann oder die Frau, die das Buch schreibt – an Wissen hat. Es gibt Bücher über Heilkunde und über Pflanzen, über Mathematik und über Alchemie, über das Recht und die Gesetze und auch die Sternenkunde.«

»Das würde Laurens bestimmt freuen«, nuschelte Mirte.

»Ja, ihn würde es bestimmt sehr reizen, was man so alles über die Gestirne herausgefunden hat. Und du würdest dich ganz bestimmt daran erfreuen, dass man nicht nur über die Wissenschaften Bücher verfasst, sondern auch Geschichten aller Art schreibt.«

»Geschichten?«

»Ja, natürlich. Solche, wie sie heute von Geschichtenerzählern und Balladensängern mündlich weitergegeben werden. Geschichten über Abenteuerfahrten und Reisen in ferne Welten, Geschichten über Liebe und Freundschaft, über böse Taten und ihre Aufklärung, aber auch solche über Feen und Drachen und Trolle und Zauberer.« Und dann lachte Frau Alena. »Ich sehe schon, du bekommst ganz leuchtende Augen.«

»Oh ja, ich mag Geschichten so sehr. Wer kennt die nur alle und sind die auch alle wahr?«

»Manche sind es, andere nicht. Aber das wissen jene, die sie lesen.«

»Habt Ihr auch Bücher geschrieben, Frau Alena? Mit Geschichten?«

»Ja, ich habe auch ein Buch geschrieben, aber nicht mit Geschichten, sondern über Wissenschaft.«

Mirtes Hochachtung für Frau Alena war ins Unermessliche gestiegen, und ihre Begeisterung, das Buchbinden zu lernen, war damit natürlich auch geweckt.

Den nächsten Bogen falzte sie schon etwas mutiger und nach zehn weiteren Blättern ging ihr diese Tätigkeit leicht von der Hand. Frau Alena beschäftigte sich derweil mit einem weit komplizierteren Vorgang. Sie hatte einen Stapel fertig gefalzter und gehefteter Bögen zu einem Block aufgeschichtet und begann nun, an der Heftlade die Papierlagen an den quer aufgespannten Hanfschnüren zu befestigen. Das alles sah sehr schwierig aus, aber offensichtlich hatte Frau Alena reichlich Übung darin.

»Habt Ihr das Buch, das Ihr geschrieben habt, auch selbst gebunden?«, fragte Mirte, während sie aufmerksam zuschaute.



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